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DPMM 2023: „so weit wie heute waren wir noch nie“

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2022 war für den Schachklub Kelheim das Jahr der Pokal-Wettbewerbe: Unser Vierer holte sowohl den Cup in der Oberpfalz, als auch das Pendant auf Landesebene. Dazu hatten wir ausführliche Artikel auf der Homepage, an die hier noch einmal erinnert sei; weil’s so schön war. 🙂 Mit diesen Erfolgen löste der Verein auch das Ticket für die Teilnahme an der Deutschen Pokal-Mannschaftsmeisterschaft 2023 (DPMM), vergleichbar mit dem DFB-Pokal im Fußball.

Dazu ging es am vergangenen Samstag etwa 300 km weit nach Thüringen. Im Auto: Stephan Gießmann, Cornelius Mühlich, Dr. Johannes Najjar und am Steuer Vorstand Johannes Obermeier. Die Stimmung bei der Hinfahrt war entspannt und ausgelassen, denn warum sich einen Kopf machen? Man war schon so weit gekommen und hatte schließlich nichts zu verlieren.

In der Villa Meuselwitz angekommen wurde erst einmal die Unterkunft und Umgebung erkundet, die aus einer Pizzeria, einem Thai Restaurant und einem Opel-Händler bestand. Meuselwitz ist ein kleiner Verein mit ca. 40 Mitgliedern, der 1921 gegründet wurde. Sie hatten also auch kürzlich erst 100-Jahr-Feier und jeder unserer Spieler bekam einen Jubiläumsstift als Erinnerung geschenkt. Überhaupt muss man sagen, dass unsere Thüringen-Fahrer sehr angetan waren von der Spielstätte, der Verpflegung, der tollen Organisation und den überaus freundlichen Gastgebern. Da ließ es sich aushalten. Dennoch war die ganze Veranstaltung trotz der freundschaftlichen Stimmung von einem ungeheuren Sportsgeist geprägt. Es herrschte starke Anspannung, sodass man die Luft fast schneiden konnte, aber keine Rivalität im Sinne von Argwohn oder Missgunst, sondern echtes Interesse daran, dass das beste Team gewinnt.

Am Samstag um 14 Uhr ging es los und das Besondere an diesem Wettbewerb ist der Modus. Wie bei einem Pokal üblich wird nicht Jeder gegen Jeden oder Schweizer System gespielt und am Ende kommen die Vordersten weiter, nein, hier ist k.o.-Modus angesagt. Wer daneben greift fliegt raus. Bei der Auslosung für die erste von zwei Vorrunden bekamen unsere Jungs die Gastgeber vom Meuselwitzer SV zugeteilt. „Die Spieler waren extrem freundlich, mit die besten Unterhaltungen, die ich im Schach je hatte“, meinte Johannes. Spielerisch waren sie auf dem Papier die Außenseiter, aber was heißt das schon bei einem Pokal mit nur vier Spielern im k.o-System, wo alles passieren kann?

An diesem Tag jedoch waren unsere Protagonisten offenbar außerordentlich gut aufgelegt, denn so glatt – da waren sich die Beteiligten einig – läuft es nur selten. Am Ende stand ein klarer 4-0-Sieg gegen die sympathischen Gastgeber zu Buche. Wie gut es lief, zeigt die Engine-Auswertung der Bretter 2 bis 4.

Allerdings hatte Joshi dafür eine schlüssige Erklärung: „Die Gegner haben sehr vorsichtig gespielt und nicht so viele Komplikationen angestrebt. Wenn halt nix droht und viele Züge gut sind, dann macht man weniger Fehler.“ Auch Johannes und Corni berichteten einhellig, dass die Gegner sehr defensiv und zurückhaltend spielten und kaum über die Mittellinie kamen, um mal was zu versuchen. In dem offensichtlichen Bemühen nichts falsch zu machen, spielten sie unserem Team aber alle Trümpfe in die Hand. Um 18 Uhr hieß es:

Die Zahlen sind die ELO-Werte, nicht die DWZs.

Neben dem SK Kelheim war auch der SG 1871 Löberitz in der Unterkunft einquartiert. Doch während die Löberitzer schon ausgeschieden waren, mussten sich unsere Jungs auf die Gegner des nächsten Tages vorbereiten, sonst wäre das bestimmt ein lustiger Abend geworden. So stand für die letzte Vorrunde der SK Gründau auf dem Programm, der eben jene Löberitzer aus dem Wettbewerb gekickt hatte. Die lange Vorbereitung in der Nacht davor war zumindest teilweise für die Katz, denn Gründau überraschte unsere Spieler, indem sie ihren 2200er von Platz 2 der Setzliste an Brett 4 spielen ließen und 4 an 2. Johannes beispielsweise hatte sich nur auf Setzlistenplatz 3 und 4 vorbereitet. Auf dem Papier war der Gegner auch so der klare Favorit, insbesondere auf den hinteren Brettern war der DWZ-Unterschied mit etwa 200 bis 300 Punkten schon deutlich.

Am Sonntag ging es schon um 10 Uhr los und schnell zeigte sich, dass Joshi an diesem Tag nichts zu lachen haben würde. Anscheinend hatte der Gegner ein äußerst glückliches Händchen gehabt, denn Joshi ist ihm voll in die Vorbereitung reingelaufen und tappte in ein Läuferopfer, das bei perfektem Spiel nicht funktioniert. Wenn man die Falle aber nicht kennt… Er hat versucht dagegenzuhalten, aber das ist halt sehr schwierig, wenn der Gegner alle Züge sofort rausblitzt und damit demonstriert, dass er noch voll in der Theorie ist. Lange verteidigte er sich sehr gut, musste sich aber letztlich geschlagen geben.

Johannes am Nebenbrett sah natürlich, dass das vermutlich in die Binsen gehen wird. Während sein Gegner sich von Anfang an nicht auf irgendwelche Taktiken einlassen wollte und versuchte, sicher in einen Ausgleich abzuwickeln, sah sich Johannes nun in der Pflicht auf Angriff zu spielen und nicht einfach passiv Remis anzustreben. Das war selbstredend mit Risiko verbunden, denn die Stellung war „0,0“. Leider sollte sich das nicht auszahlen: „[Ich] übersah, dass mein Gegner am Ende nach zehn Zügen genau ein Tempo zu schnell war“, so Johannes in der Rückschau.

Damit stand es schon 0-2. Giesi und Corni spielten zwar noch, doch selbst im besten Fall war nun nur noch ein 2-2-Unentschieden möglich. Aber: Im Falle eines Unentschiedens hätte Kelheim die beiden ersten Bretter gewonnen, was auch den Gewinn der Berliner Wertung und des Mannschaftskampfes bedeuten würde. Es war also noch alles drin und allen war klar, was jetzt Sache ist: „Jetzt wissen wir wenigstens, was wir zu tun haben: gewinnen. Und das werden wir auch machen“, versuchte Giesi noch die letzten Motivationsreserven zu mobilisieren.

Corni hatte seine Partie nicht auf schnelle Fallen und fiese Tricks ausgelegt, sondern auf lange Sicht. Entsprechend strategisch war der Verlauf geprägt und so war es unvermeidlich, dass beide Kontrahenten in Zeitnot gerieten. Im 42. Zug konnte Corni einen Bauern gewinnen, da der Gegner in der Zeitnot-Phase nicht die besten Züge gefunden hatte. Das Endspiel danach hat nochmal die restlichen 100 Minuten in Anspruch genommen, war aber nur noch ca. 15 Züge lang „wo er nichts mehr anzetteln konnte und mein Bauer durchlief“, gab Corni zu Protokoll. Damit konnte er auf 1-2 verkürzen.

Nun hing es von Giesi ab. Hatte Corni schon insgesamt fünfeinhalb Stunden gespielt, trieb die Partie am ersten Brett das alles nochmal auf die Spitze. Giesi hatte dort einen FM als Gegner. Dass ihn das allein nicht groß kümmert, hat er ja erst kürzlich auf dem WWO gezeigt. Aber diesmal hatten sich offenbar zwei gefunden, die absolut auf Augenhöhe kämpften. Die Stellung war komplett ausgeglichen und solange keiner einen Fehler machte oder zumindest eine Schwäche zeigte, geht so eine Schachpartie für gewöhnlich Remis aus. Also musste Giesi versuchen zu zaubern, ohne dabei selbst in eine Falle zu tappen. „Bauer mehr, aber ich kapier nix“, hieß es zwischendurch im Gruppenchat, was zeigt, wie kompliziert die Lage war.

Die Kommentatoren hatten dort zwar ein paar Gewinn-Ideen, allerdings hatte Giesi nicht nur den FM als Gegner, sondern auch die Zeit. Als es in die entscheidende Phase ging, stand nur noch gut eine Minute auf der Uhr. Immer wieder musste er fast bis zum Blättchenfall herunterlaufen lassen, um einen guten Zug zu finden und sich dann gezwungenermaßen mit dem Inkrement zufriedengeben. Der Gegner hatte zu Beginn der heißen Phase hingegen noch 14 Minuten. Unter diesen erschwerten Bedingungen war irgendwann auch der Mehrbauer weg und der Gegner bot Remis. Mit nur noch Sekunden Restzeit blieb Giesi nichts anderes übrig, als das Angebot anzunehmen. Damit stand die denkbar knappe 1,5-2,5-Niederlage fest und somit leider auch das Aus im Pokal.

Die Zahlen sind die ELO-Werte, nicht die DWZs.

Einerseits schade, in der Runde danach hätten Schwergewichte wie die OSG Baden-Baden gewartet, die für diesen Wettbewerb ihre Großmeister von Weltformat gemeldet hatten: Anish Giri, Vincent Keymer oder Jan Gustafsson, um nur ein paar zu nennen. Da hätten unsere tapferen „Schachstrategen“, wie sie die MZ immer liebevoll nennt, sicherlich gerne mitgemischt. Allein mal die Möglichkeit zu bekommen, gegen solche Leute zu spielen…

Natürlich wurde anschließend gehadert – hätte ich doch – andererseits muss man sich auch so nicht lange grämen. Allein die Qualifikation zur DPMM ist bereits ein Riesen-Erfolg und erst am Einzug in die Zwischenrunde so knapp zu scheitern, stellt alles in den Schatten, was zumindest in der jüngeren Vereinsgeschichte des SK Kelheim erreicht worden ist. Wie sagte Corni so treffend: „So weit wie heute waren wir auch noch nie, also können wir uns Schritt für Schritt steigern. :)“ Nächstes Mal dann. 😎

Dazu gab es auch einen Zeitungsartikel: SK Kelheim scheidet im Pokal auf nationaler Ebene mit knapper Niederlage aus (MZ, 02.02.2023)