Insgesamt 4003 Schachspieler hatten in der Saison 2023/24 bei den Ausscheidungsläufen zur Deutschen Amateurmeisterschaft (DSAM) in Düsseldorf, Potsdam, Bad Wildungen, Stuttgart, Magdeburg, Darmstadt und Travemünde teilgenommen und versucht, sich für das Finale zu qualifizieren. Die 346 Bestplatzierten aus den Vorläufen durften am ersten Augustwochenende im Maritim Hotel in Bad Wildungen (Hessen) die Endrunde bestreiten.
Auch der SK Kelheim hatte zwei Teilnehmer im Rennen: im Frühjahr waren wir zu Fünft in Stuttgart und konnten dort, denke ich, einige Akzente setzen. Nicht nur, dass Leni als Zweitplatzierter der Gruppe D und mit 4,5 Punkten aus fünf Runden als beste Dame des gesamten Turniers die Hürde gemeistert hat. Wir holten uns auch Platz 3 bei der Vereinswertung, was wir so nicht erwartet hatten. Alles in allem war es ein rundum angenehmes Turnier in Stuttgart gewesen.
Die Deutsche Schach-Amateurmeisterschaft (DSAM) ist die kleine Breitensportschwester der Deutschen Einzelmeisterschaft. Sie richtet sich explizit an ambitionierte Vereinsspieler („Amateure“), nicht an die Profis. Im Gegensatz zur Deutschen Jugendmeisterschaft (DEM) wird hier nicht in Altersklassen gespielt, sondern in sieben Gruppen, je nach nomineller Spielstärke. Von Schachveteranen mit 50 Jahren Erfahrung, aktuellen Bundesligaspielerinnen, bis zu aufstrebenden Nachwuchstalenten, teils mehrfachen Juniorenmeistern, hatte sich ein bunt gemischtes Starterfeld in Hessen zusammengefunden.
Insgesamt muss man einräumen, ist das Konzept der DSAM – oder „Desam“, wie sie hier sagen – sehr stimmig. Für Kinder, die zwischen den Runden toben und fetzen möchten, natürlich eher nicht, aber wer es schätzt, in elegantem und gediegenem Ambiente, und trotz einer nationalen Meisterschaft in entspannter Atmosphäre Schach zu spielen, der wird sich hier pudelwohl fühlen. Deshalb hat die DSAM auch eine treue Community. Schon mal vormerken: 16.-19.01.2025 gibt’s in Ingolstadt erstmals seit vielen Jahren wieder einen DSAM-Vorlauf in Bayern und das auch noch direkt vor unserer Haustür!
Aber zurück zum Turnier: Beim Finale in Bad Wildungen war Leni nur auf Startplatz 35 von 50 in ihrer Gruppe D gesetzt. Deswegen bekam sie es in allen fünf Runden mit nominell stärkeren Gegnern zu tun. Entsprechend legte sie ihre Partien an, spielte auf Nummer sicher gegen die Favoriten und sicherte so vier Remis ab. Auch das Thema Zeitmanagement hatte sie diesmal gut im Griff, wenngleich sie weiterhin dazu neigt, die Bedenkzeit bis zum letzten auszureizen, was Futter fassen zwischen den Runden zum Wettlauf werden lässt. 😉 Die Partieanalysen im Nachgang offenbaren, wie gut sie diesmal drauf war (nur eine exemplarisch, da waren mehr solcher Musterexemplare dabei):
In Runde drei, ausgerechnet gegen den nominell stärksten Kontrahenten mit 1952 Elo Spielstärke, gelang ihr ein sehenswertes Matt in einem kniffligen Bauernendspiel, bei dem nur eine einzige Variante zum Sieg führte, alle anderen zu Remis, Patt oder gar zum Partieverlust.
Leni fand jedoch den Gewinnweg und legte mit diesem Sieg den Grundstein für den späteren Erfolg.
Am Ende musste sie trotzdem noch zittern: Eine Kontrahentin vom TV Fischbek Suederelbe hatte in der Damenwertung punktgleich aufgeschlossen, nachdem Leni in Runde 5 – im Bemühen, ihre Chance durch eine Last-Minute-Niederlage nicht noch wegzuwerfen – vielleicht ein bisschen früh remisiert hatte statt auf Sieg zu spielen und alles klarzumachen. Die deutlich bessere Buchholzwertung kürte sie am Ende dennoch zur Deutschen Amateurmeisterin 2024 in Gruppe D. Damit übernimmt Leni den Titel von Team-Buddy Laura, die den Pott im vergangenen Jahr abgeräumt hatte und blieb sowohl in der Vorrunde als auch im Finale in allen zehn Partien ungeschlagen.
Der Stein, der ihr vom Herzen fiel als das Ergebnis bei der Siegerehrung im brechend vollen Saal des Maritim verkündet wurde, war kilometerweit zu hören. Auf der DEM in Willingen vor einigen Wochen war so vieles schiefgelaufen: Von Startplatz 6 top gesetzt ins Rennen gegangen, kam dort von eigenen Fehlern, die gute Stellungen noch in Remis oder Niederlagen abdriften ließen, über Pech bei der Auslosung (gegen Verbands- und gar Vereinskameradinnen), bis Fieber im letzten Turnierdrittel alles zusammen, was man sich für einen optimalen Wettkampfverlauf nicht wünscht. Am Ende war Platz 19 dort das enttäuschende Ende der Fahnenstange. Das wollte sie auf der DSAM vergessen machen und das Thema „Deutsche“ doch noch mit einem Happy End versehen. Mission erfüllt. 😎
In Gruppe G durfte ich als Nachrücker noch einmal ans Brett, nachdem ich in Stuttgart durch eine Niederlage – die einzige, man höre und staune 😉 – in der letzten Runde die Qualifikation knapp verpasst hatte. Weil ein Berechtigter seinen Startplatz nicht wahrgenommen hat, durfte ich einspringen und nachdem ich wegen Leni eh dort war, kam mir das gerade recht.
Allerdings hatte ich dort schon wesentlich mehr zu knabbern als beim Vorlauf. Der Gedanke der DSAM als Amateurmeisterschaft ist ja, genau wie bei den Amateur-Pokalturnieren durch die Gruppeneinteilungen in etwa gleich starke Spieler gegeneinander antreten zu lassen. Das wird bei der DSAM allerdings ein wenig verwässert dadurch, dass die Gruppen zu einem Stichtag irgendwann im letzten Jahr eingeteilt wurden und nicht am Turniertag. So kam es, dass keiner meiner Gegner weniger als 1200 DWZ hatte, was ja eigentlich die Obergrenze für Gruppe G wäre. Der top Gesetzte hatte sich mittlerweile gar bis 1730 DWZ hochgelevelt.
Von Startplatz 47 ins Rennen gegangen, muss ich angesichts einer Deutschen Meisterschaft mit einem Sieg und zwei Remis zufrieden sein. Obwohl ich „nur“ 2,0 Punkte aus fünf Runden sammeln konnte, werde ich ca. 50 DWZ Plus machen, was zeigt, um wie viel höher geratet meine Gegner waren. Mit dem Verlauf einiger Partien kann ich natürlich nicht zufrieden sein. Wenn man eine Stellung, bei der Kollege Computer schon „matt in X“ ausrechnet, noch ins Remis verdeppt, oder meint, eine bewährte Standarderöffnung mit eigenen, noch „clevereren“ Zügen bereichern zu müssen (die natürlich nicht funktionieren), dann ist Freudentaumel kaum angebracht. Aber es hätte auch deutlich schlechter laufen können, also passt das schon. Für mich war es ein Erfolg, überhaupt dabei zu sein. 3657 waren es nicht. 😉
Weitere Fotos vom Finale gibt’s auf dem Flickr-Account des DSB.
Mittlerweile hat der DSB einen Bericht veröffentlicht: Deutsche Amateurmeister stehen fest – GM Hagen Poetsch erneut deutscher Pokalsieger. Auch bei der BSJ gibt’s eine kurze Erwähnung: DSAM Endrunde in Bad Wildungen
Dazu gab es auch einen Zeitungsartikel: Valentina Neumeier vom SK Kelheim krönt sich in Bad Wildungen zur nationalen Amateurmeisterin (Mittelbayerische Zeitung, Sport in der Region, 07.08.2024)