Am vergangenen (verlängerten) Wochenende stand für zwei Teams des SK Kelheim eine lange Reise auf dem Programm. Wie angekündigt waren die Kids bei der nachgeholten Deutschen Vereinsmeisterschaft 2021 in Kiel (!) am Start. Der Weg dorthin könnte unterschiedlicher kaum sein.
Bei den Mädchen war ein Aufruf der DSJ der Ausgangspunkt, doch bitte noch ein paar Mannschaften nachzumelden, da die Altersklasse U20w zwar hochkarätig besetzt ist, zahlenmäßig aber zu wenig Teams am Start waren, um 7 Runden spielen zu können. Da kam Leni auf die Idee, mit Julia Schwarzfischer als Gaststarterin vom SF Roding dort hinzufahren – sie kennen sich ja gut von diversen Meisterschaften. Aber zwei Spieler sind noch kein Team! Zum Glück war Citra sofort mit im Boot und nachdem auch Sara zugesagt hatte, war der SKK-Vierer komplett. Mit der Oberpfalz-Meisterin U16w (Citra), einer Bayerischen U12-Mannschaftsmeisterin (Leni) und der Bayerischen U12w-Einzelmeisterin (Julia) war das Kelheimer Team einerseits top aufgestellt – unter Gleichaltrigen – aber halt auch sehr jung im Umfeld der gestandenen U20w-Damen. Dazu noch Sara aus der U10w (!), da durfte nicht zu viel erwartet werden auf einer Deutschen Meisterschaft. Wenigstens einen Brettpunkt zu holen, war hier das Ziel.
Bei den Jungs hingegen erhielt der SK Kelheim erst wenige Tage vor dem Event die Info, dass ein qualifizierter Verein abgesagt hat und die Kelheimer nachrücken dürfen. Bei der Vorrunde im letzten Herbst war unser U16-Team nämlich knapp an der Qualifikation vorbeigeschrammt. Daher mussten die Jugendleiter auf die Schnelle noch die Mannschaft zusammenkratzen. Peter, Michi, Pandu und Maxim erklärten sich bereit, für den SK Kelheim anzutreten. Auch hier waren unsere „Nachrücker“ natürlich klarer Außenseiter, starteten von Rang 19 aus ins Turnier.
Da traf es sich gut, dass auch die U16 in Kiel ausgetragen wurde, so konnte man sich mit den Mädchen zusammenspannen und gemeinsam an die Ostsee fahren. Die Jugendleiter organisierten den Bus der Stadt Kelheim, mich als Fahrer und Bernhard Schmid ließ sich überreden, als Trainer die Vor- und Nachbereitung zu übernehmen; er reiste aus terminlichen Gründen allerdings erst im Laufe des ersten Spieltages per Bahn an.
Am Freitag um 6:00 Uhr in der Früh ging es los und nachdem wir Julia in Schwandorf aufgelesen hatten, konnte es die 830 km Richtung Norden weitergehen. Nach einem Tank- und Raststopp kurz vor Hannover zogen wir weiter, ab in den Stau. Aber wir hatten noch Glück, waren gegen 16:30 Uhr in der Jugendherberge in Kiel. Ungefähr um dieselbe Zeit wurde bei Bauarbeiten im Hamburger Hafen eine Fliegerbombe gefunden und alles abgeriegelt. Das führte dazu, dass eine zweistellige Anzahl von Vereinen irgendwo auf der Autobahn, am Bahnhof oder am Flughafen festsaß. Die auf 20:00 Uhr angesetzte Betreuersitzung wurde auf 22:00 Uhr verlegt und solange nicht klar war, wer letztlich in welcher Aufstellung anreist, gab es auch keine Brettreihenfolge und keine Paarungen. Die Kids gingen deshalb ohne Vorbereitung eher ins Bett und wir einigten uns darauf, in aller Herrgottsfrüh aufzustehen, um dann die Vorbereitung auf die Gegner zu machen. 1:00 Uhr wurde es letztendlich, als die Aufstellungen und Paarungen feststanden und ich auf Gegner-Recherche gehen konnte, damit die Kids am Morgen Material hatten zum Analysieren.
Am Samstag um 8:30 startete das Turnier und an dieser Stelle soll das keine kleinteilige Berichterstattung und Partie-Analyse werden, sondern eher ein differenzierter Blick zurück auf die Geschehnisse, denn wenn man nur das Endergebnis der Mannschaftswertung betrachtet – die Mädchen wurden Letzter und die Jungs kamen auf ihrem 19. Startrang und damit als Vorletzter ins Ziel – könnte man zu dem Schluss kommen, der Trip wäre ein völliger Fehlschlag gewesen. Doch das Gegenteil ist der Fall!
Bei den Mädchen war die Hoffnung, dass unsere U10-, U12- und U16-Girls wenigstens einen Brettpunkt schaffen würden bei den bis zu doppelt so alten U20-Damen auf Bundesebene. Dieses Minimalziel wurde bereits in Runde 1 erreicht, nachdem Leni eine Gegnerin mit 1750 DWZ aus dem Weg geräumt hatte; ein wenig glücklich zwar, da jene sich selbst in Zeitnot manövriert hatte, aber der erste Punkt war im Sack. Überhaupt war es überraschend zu sehen, dass Citra, Julia und Leni trotz ihrer bis zu 700 Punkten Minder-DWZ mitspielen konnten und es keineswegs so war, dass sie hier hoffnungslos unterlegen gewesen wären. Am Ende holte Leni drei Brettpunkte und Citra einen, beide hatten jedoch mehrmals die Hand an weiteren Siegen.
Bei Julia hingegen wollte an diesem verlängerten Wochenende einfach nichts glücken. Die amtierende Bayerische U12w-Meisterin spielte auf Augenhöhe mit den deutlich älteren Kontrahentinnen, ein paar Ungenauigkeiten zum falschen Moment sorgten aber immer wieder dafür, dass die Gegnerinnen die Oberhand gewinnen konnten. Als 12-Jährige auf Brett 2 einer U20w-DVM zu spielen, ist aber auch ein undankbarer „Job“.
Ein Sonderfall war natürlich Sara, die nur die Hälfte der Spielstärke der anderen Kelheimer vorweisen konnte, eigentlich U10w spielt und keinerlei überregionale Erfahrung hatte. Hier mussten Bernhard und ich erstmal einige Tricks aus dem Hut zaubern, um die auf OSJ-Cup mit 15+0 Bedenkzeit geeichte innere Uhr auf Langschach mit 90+30 umzupolen. Nachdem uns das gelungen war, spielte auch Sara auf Brett 4 bis zu anderthalb Stunden mit. In einer Partie gegen Bad Oldesloe hatte sie gar den Sensationssieg vor Augen, konnte den Vorsprung aber leider nicht bis ins Ziel retten.
Wie also kann das Fazit hier lauten? Zwar letzter geworden unter all den U20-Damen, aber 4 „echte“ Brettpunkte geholt, sogar 10, wenn man wie untenstehende Tabelle spielfrei mitzählt. „Nehmen wir mit Handkuss“, hätten wir im Vorfeld gesagt, schließlich wurde das Ziel um ein Vielfaches übertroffen. Dass es tatsächlich noch deutlich mehr hätte sein können, darf keine Rolle spielen.
Bei den Jungs hatten wir eine „echte“ U16-Mannschaft am Start, also wenigstens vom Alter her waren wir auf Augenhöhe. Da aber Benedikt nicht spielte, musste Peter das Spitzenbrett übernehmen. Michi, der Älteste und Erfahrenste im Bunde, spielte auf Brett 2. Für Brett 3 und 4 hatten sich Maxim und Pandu einen Coup überlegt: da sie gerade noch innerhalb des erlaubten 200-DWZ-Punkte-Abstands lagen, tauschten sie die Startplätze. Maxim biss also freiwillig in den sauren Apfel und opferte sich mit seinen 1100 DWZ auf Brett 3, damit Pandu auf Brett 4 vielleicht den ein oder anderen Brettpunkt mehr einheimsen konnte, was mit 3 Siegen letztlich auch gelang. Clever einerseits, andererseits war klar, dass Maxim damit unter die Räder kommen würde. Am Ende holte er trotzdem noch einen Brettpunkt, angenehm war es aber sicher nicht, ständig auf verlorenem Posten zu stehen.
Auf Brett 1 wuchs Peter regelrecht über sich hinaus. 4,5 Punkte holte er in diesem starken Feld gegen ausnahmslos DWZ-stärkere Gegner und auch bei den Analysen zeigte er sich als Wortführer mit vielen Ideen und viel Input. Bei Michi sprang leider nur ein Brettpunkt heraus. Auch hier hätten es mindestens dreimal so viele sein können, oftmals ließ er sich jedoch vom Gegner oder von seiner eigenen inneren Uhr unnötig hetzen und stellte dann doch noch eine Figur ein. 9,5 „echte“ Brettpunkte (kein Spielfrei!) holten die Jungs unter dem Strich. Auch das ist aller Ehren wert. Aber bei einem Mannschaftskampf ist es wie beim Lottospielen: was helfen 6 Richtige, wenn sie nicht im gleichen Tipp liegen? So auch hier: die Brettpunkte waren so unglücklich verteilt, dass es nur ein Mannschaftssieg und ein Unentschieden wurde. Aber auch hier die Erkenntnis, dass die Jungs mitspielen können auf Bundesebene und nicht viel fehlt. Mit etwas mehr Fortune (und weniger Hast) wäre mehr drin gewesen. Glückwunsch an die Meister!
Was gibt es sonst noch zu berichten? Ab dem zweiten Tag hat Bernhard, Spieler der ersten SKK-Mannschaft mit 2070 ELO und ausgewiesener Eröffnungsexperte, die schachliche Vorbereitung übernommen:
In der U20w war eine ungerade Anzahl an Mannschaften am Start, daher hatten die Mädchen bereits am ersten Nachmittag spielfrei und wir nutzten die Gelegenheit, ein wenig durch Kiel zu streifen.
Ein Thema für sich war die Verpflegung. Es gab Frühstück, Mittagessen und Abendessen. In einer Jugendherberge kann man kein Gourmet-Essen erwarten, das ist klar, und es war an sich auch in Ordnung. Allerdings hatte es im Vorfeld geheißen, die fixen Essenszeiten würden mit Rücksicht auf die Schachleute flexibel gestaltet werden. Diese Flexibilität äußerte sich jedoch nur dahingehend, dass es nach Ende der Essenszeit ab 13 Uhr bzw. 19 Uhr keine warme Mahlzeit mehr gab, sondern Brot, Typ „Eisenbahnschwelle Eiche“. Da insbesondere unsere Mädels immer ewig spielten, blieb für sie oft nur die Notration übrig. Am letzten Abend reichte es uns daher und wir gingen mit beiden Mannschaften Pizza-Essen, was eine willkommene Abwechslung war.
Am Dienstagabend kamen wir wohlbehalten wieder nach Hause, k.o. zwar von der langen Fahrt, den Doppelrunden mit Vor- und Nachbereitung, aber um viele Erfahrungen reicher, die den Kids keiner mehr nehmen kann.
In zwei Wochen geht’s bereits weiter, dann ist unsere U10-Mannschaft in Düsseldorf am Start. Dort sind die Voraussetzungen ganz andere: da wurde nicht nachgerückt oder nachgemeldet, sondern qualifiziert und von Startplatz 8 aus können Moritz, Konny, Arthur und Leonhard durchaus im Vorderfeld der 40 Vereine mitmischen. Wir dürfen gespannt sein!